Autorin
Anja Kempe — jOURNALISTIN (ARD)
»Du sprechen deutsch?« Von diesem Satz habe ich damals geträumt, als ich drei Tage lang die Passkontrolleure im IC-Zug auf der Balkanroute begleitet habe, und sie allen diese Frage stellten, die schwarze Haare hatten, und das waren sehr viele: »Grüß Gott, deutsche Passkontrolle«
Für meine erste Hörfunksendung musste ich allerdings gar nicht den Schreibtisch verlassen: »Die Zukunft der postindustriellen Gesellschaft« für das Abendstudio des Hessischen Rundfunks, eine Stunde Text, vorgetragen von zwei Sprechern. Weil ich mich für Menschen interessiere, habe ich in dieser Zeit angefangen, im Feature von RIAS, WDR und SFB mit Originaltönen zu arbeiten und hatte plötzlich, zusätzlich zur Theorie, eine bis heute unerschöpfliche Ebene: Leute im O-Ton, im Gespräch oder bei ihren Tätigkeiten aufgenommen, bei dem, was sie gerade machen oder sagen: Zugkontrolleure, Berufsboxer, Museumsdirektoren, Volksmusikanten, Mathematiker, Politiker, Manager, Soldaten und Soldatinnen.
Ich möchte gern unterhalten. Die Features und Reportagen stehen im Kontext der aktuellen Diskurse und Debatten. Doch man muss sich nicht auskennen, sondern kann einfach die Füße hochlegen und zuhören.
Möchten Sie bestätigt haben, wie mies oder wie schön Deutschland ist, dann hören Sie: »Zufriedene Leute«, »Der Stromsperrer« und »Die Pädagogisierung der Gesellschaft«. Der deutsche Hochadel will ebenfalls beachtet werden: »Die armen Prinzessinnen von Ehreshoven«. Und, weil China an Bedeutung gewinnt: »Herr Cheng isst keine Hunde«. Sollten Sie sich für Multikulti einsetzen oder der Meinung sein, Multikulti ist doof: »Bürgergeld auf Türkisch, Oder: Warum Deutsche die totale Stütze wollen«. Wenn Sie Astronauten cool finden, lauschen Sie, wie »Alexander Gerst trainiert«. Ich habe ihn einen Tag lang im Trainingscamp begleitet.
Lernen Sie unsere Nachbarn kennen, bei ihren Bemühungen in die Europäische Union zu gelangen: »Ein Türke in der Leitung«. Gehen Sie der Frage nach wie man »mit guten Manieren durch schlechte Zeiten« kommt. Machen Sie eine radiophone Reise durch die Geschichte unseres Landes: »Museum im Kopf. Eine Ausstellung deutscher Nationalheiligtöne«. Hören Sie »Die ersten Jahre der Theoretischen Physik« mit Orginaltönen der ersten Quantenphysiker. Oder, wenn Sie ihr Herz erfreuen möchten: »Die erstaunliche Zunahme der Liebe zum Tier«.
Auch tragische Ereignisse haben komische Seiten: »Unternehmen Kosovo. Reparaturdienst Deutschland im Einsatz«. Wenn Sie zu den vielen Linken gehören, die damals für den Kosovo-Krieg waren, überspringen Sie diese Sendung einfach oder hören Sie: »Werden Sie Soldat in der Einsatzarmee . Der Kampf der Bundeswehr um Nachwuchs«.
Einige Zeit habe ich mich mit Frauen in den Ostländern und deutschen Männern beschäftigt. So entstand der Film »Die gekaufte Braut«, Regie im Schneideraum hatte Hanno Brühl. Die Reportage lief im ersten Programm der ARD und wurde in den dritten Programmen wiederholt. Weil sie bei der Erstausstrahlung über 5 Millionen Zuschauer hatte, wollte ich diese Geschichte den Radiohörern und Hörerinnen nicht vorenthalten: »Rassige Russin gesucht. Oder: Mohrmann in Moskau«
Geburtsort: Bremerhaven
Größe: 1,70
Lieblingsmusik: Abba, Wagner
Sternzeichen: Wassermann, Affe
Fremdsprachen: Englisch, Latein
Gläubig: Ja
Kirche: Nein
Partei: Niemals
Studium: Politik, Germanistik, Georg-August-Universität Göttingen
Wofür es sich für mich lohnt zu kämpfen: Wertesystem, Randgruppen, Hörfunk
Reizthema: Political Correctness
Lieblingsthema: Bundeswehr
Unschönheit: Video-Gucker und Telefonierer, die in der Öffentlichkeit ihre scheppernden Handy-Lautsprecher aufdrehen.
Interessante Leute: Sophia Fritz, Max Richter, Karl Kraus, Karl Marx, Lise Meitner, Harald Schmidt, Zoë Keating
Leidenschaft für den Beruf: Ja
Ästhetische Prinzipien: Ja